Wer vor einiger Zeit in russische Aktien investiert hat, steht bereits seit Längerem vor dem Problem, dass der Handel an den hiesigen Börsen ausgesetzt ist. Ein Kauf oder Verkauf sind kaum noch möglich. Eine Untersuchung von MSCI sorgt nun jedoch für Aufsehen. Demnach könnte ein Großteil der russischen Aktien mittlerweile sogar wertlos sein. Droht Anlegern schlimmstenfalls sogar der Totalverlust?
Die US-amerikanische Investmentgesellschaft MSCI hat jüngst eine Untersuchung veröffentlicht, in welcher sie zu dem Ergebnis kam, dass der Wert vieler russischer Unternehmensaktien in Wirklichkeit deutlich geringer sein könnte, als die Aktienkurse dies implizieren würden.
Zu dieser Schlussfolgerung kamen die Analysten von MSCI, nachdem sie ein Modell untersucht hatten, welches den Wertpapiermarkt mit dem Rentenmarkt in Verbindung bringt. Demnach ließe sich aus dem Markt für Credit-Default-Swaps (CDS) ableiten, dass russische Aktien im Gegensatz zu den an der russischen Börse gelisteten Preisen faktisch wertlos seien.
Was sagen Credit Default Swaps über den russischen Aktienmarkt aus?
Bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit welcher ein Unternehmen in Zahlungsverzug geraten könnte, spielt das Verhältnis des Unternehmenswertes im Vergleich zu seinen Schulden eine zentrale Rolle. Geht das Eigenkapital gegen null, begleicht das Unternehmen seine Schulden nicht länger.
Die Analysten von MSCI merkten nun in einem Blogbeitrag auf der Unternehmensseite an, dass dieses Modell auch umgekehrt angewandt werden könne. Es sei also möglich, aus der Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls Schlüsse über den tatsächlichen Wert eines Unternehmens und somit seines Aktienpreises zu ziehen.
Bei einer Untersuchung des Credit-Default-Swap-Marktes für russische Unternehmen kamen die Analysten zu dem Ergebnis, dass die Aktivität auf diesem seit Beginn des Ukraine-Krieges extrem stark zugenommen hat. Daraus folgerten sie, dass der CDS-Markt Informationen enthält, welche im Aktienmarkt nicht widergespiegelt werden.
Während die Aktienkurse, wie sie von der Börse Moskau vermeldet werden, seit Kriegsbeginn um ca. 40 Prozent eingebrochen sind, sei der Preis, welcher vom CDS-Markt impliziert werde, praktisch zu 100 Prozent eingebrochen. Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ist drastisch in die Höhe geschossen.
Russische Aktienkurse und CDS-Preise gehen auseinander
Eine Erklärung, weshalb die Preise am Aktienmarkt und am Markt für Credit-Default-Swaps plötzlich dermaßen drastisch voneinander divergieren, könnte laut Analysten die Tatsache sein, dass viele Anleger zwar auf dem einen Markt aktiv seien, jedoch nicht auf dem anderen. So ist der Markt für Credit-Default-Swaps nur für institutionelle Anleger zugänglich, welche über einen Informationsvorsprung zu vielen herkömmlichen Anlegern verfügen.
Gleichzeitig ist es den meisten ausländischen Anlegern überhaupt nicht möglich, auf dem russischen Aktienmarkt zu handeln. Wer hierzulande in russische Aktien investiert hat, hat in Wirklichkeit lediglich sogenannte Hinterlegungsscheine im Depot. Diese Global Depository Receipts (GDRs) und American Depository Receipts (ADRs) verbriefen das Eigentum an den entsprechenden Aktien russischer Unternehmen und werden an derer statt an westlichen Börsen gehandelt.
Nachdem der Handel mit russischen Wertpapieren jedoch zu großen Teilen ausgesetzt worden ist, sind viele ausländische Anleger auf ihren Verbriefungen sitzengeblieben. Hieraus können allerdings teils erhebliche Verzerrungen am Aktienmarkt entstehen. Die Untersuchung von MSCI könnte nun womöglich einen Hinweis darauf geben, wie drastisch diese Verzerrungen derzeit tatsächlich ausfallen.
Wie können Anleger ihre russischen Aktien verkaufen?
Ausländische Anleger stehen nun vor dem Problem, dass sie aufgrund des ausgesetzten Handels praktisch kaum etwas gegen den Wertverfall unternehmen können. Ein Verkauf an der Börse ist nicht möglich. Hoffnungen, dass sich die Lage zeitnah verbessern könnte, gibt es kaum. Erst Ende Mai wurde die Gazprom-Aktie endgültig vom Londoner Börsenhandel ausgeschlossen. Anderswo dürfte es in Zukunft kaum anders laufen.
Hinzu kommt, dass ein russsiches Gesetz seit Anfang April die eigenen Unternehmen dazu zwingt, den Handel mit ADRs und GDRs zu beenden. Die Folge: Zahlreiche der Verbriefungsprogramme sind bereits gekündigt worden und laufen dementsprechend in den kommenden Monaten aus.
Anleger haben nach dem Auslaufen der Programme noch ein Jahr Zeit, ihre Verbriefungen wieder bei der Bank einzureichen, welche diese ursprünglich ausgegeben hatte, und diese stattdessen in Aktien umzutauschen. Da hierfür jedoch ein Depot bei einem russischen Kreditinstitut erforderlich ist, besteht diese Möglichkeit für die meisten Anleger faktisch überhaupt nicht.
Nachdem die Frist abgelaufen ist, würde die jeweilige Bank versuchen, die Wertpapiere zu verkaufen und den Besitzern der Hinterlegungsscheine den Erlös zukommen lassen – abzüglich Gebühren und Kosten. Hierfür müssten die Sanktionen allerdings zuerst einmal wegfallen. Wie viel die eigenen Verbriefungen am Ende dann tatsächlich noch wert sind, ist dann allerdings komplett unklar.
Eine Alternative ist es, die Verbriefungen an Spekulanten zu verkaufen, welche derzeit willig sind, diese zu kaufen. Allerdings sind die Preise, welche risikofreudige Investoren momentan bereit sind, für Verbriefungen auf russsiche Aktien zu zahlen, ebenfalls extrem niedrig. Anleger müssten bei einem Verkauf aktuell tatsächlich einen fast hundertprozentigen Verlust hinnehmen, so wie es der Credit-Default-Swap-Markt aktuell auch impliziert.
Gibt es Hoffnung?
Einen kleinen Hoffnungsschimmer haben die MSCI-Analysten für Anleger allerdings doch noch parat. Aufgrund der aktuellen Sanktionen könnte auch der CDS-Markt selbst derzeit erheblich verzerrt sein. Wird ein CDS-Payout ausgelöst, könnten sanktionsbedingte Zahlungsschwierigkeiten und andere Reibungsverluste am Markt die Prämien für den Ausfallschutz in die Höhe treiben und somit die vom CDS implizierte Ausfallwahrscheinlichkeit augenscheinlich hochschnellen lassen.
Darüber hinaus ist aufgrund der Sanktionen die Wahrscheinlichkeit für einen technischen Zahlungsausfall gestiegen, welcher jedoch nicht mit einem faktischen Zahlungsausfall zu verwechseln ist. Russische Unternehmen könnten also noch wie vor in der Lage sein, ihre Schulden zu tilgen. Allerdings verhindern die Sanktionen, dass sie die Zahlungen auch tatsächlich tätigen können.
Die größten Marktverzerrungen gehen derweil auf die Tatsache zurück, dass derzeit nur eine kleine Zahl von Anlegern in russische Aktien investieren können, während der Großteil des Marktes außen vor bleibt. Sollten die Sanktionen wieder fallen und der russische Markt wieder in den internationalen Markt integriert werden, könnten sich die Verzerrungen wieder auflösen.
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